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HENRY IV

WILLIAM SHAKESPEARE

Premiere 29. Januar 2011


Eine Tragikomödie,

in welcher der ehrenwerte

SIR JOHN FALSTAFF

eine gewichtige Rolle spielt...


Hubert Bail | Joachim Bauer | Hannes Berg Manuel Renken | Sven Schöcker Joachim Vollrath | Dave Wilcox


Regie: Andreas Seyferth Übersetzung + Fassung: Margrit Carls Klangkonzept: Kai Taschner Raum + Licht: Stephan Joachim Kostüm: Johannes Schrödl



Henry, zu Deutsch Heinrich, Althochdeutsch Heimrich, zusammengesetzt aus 'heim' für 'Haus' und 'rîhhi' für 'mächtig': Was den deutschen Heinrich und den englischen Henry zum 'Haus-Herrn' oder 'Herrn im Haus' macht.


In Shakespeares Polit- und Familiensaga ist genau das die Frage: Wer soll Herr sein im Hause Britannien? Der Thronräuber Henry IV? Oder ein gewisser Mortimer, übergangen in der Thronfolge, unterstützt von einer mächtigen Lobby Enttäuschter?


England um 1400: Der König (Richard II) ist tot, es lebe der König (Henry IV). Den neuen lässt der Gram schlaflos: Das Blut an seinen Händen (den alten ließ er kaltblütig abservieren), ein jüngst überstandener Bürgerkrieg, der Machterhalt, sein verlorener Spross Henry, der es mit Gesindel in Spelunken treibt: All dies nagt an ihm. Krönung des Verdrusses: Sein Widersacher Henry (der starke Mann aus Northumberland) hat auch einen Sohn (Henry, was sonst; genannt Hotspur), und der macht seinem Erzeuger alle Ehre


Politik und Privates, Staatsstreich und Ganovenstück, Familienzwist und Bürgerkrieg spiegeln und vermischen sich. Wir sehen schwelgende Zügellosigkeit neben entrücktem Gottesgnadentum; Misstrauen, das der eigenen Missetat erwächst; Sorge um Land und Leute, die immer Sorge um die eigene Zukunft ist. Die Lebensentwürfe zweier junger Männer prallen aufeinander, beide auf der Suche nach Einzigartigkeit: der eine strebt durch die Gosse zum Glanz, durch schmutzigen Schein zum ruhmreichen Sein; der andere frönt wütigem Heldentum; und es gilt der Grundsatz wettbewerblichen Handelns: Es kann nur einen geben…


Und dann ist da noch dieser andere, der nicht Henry heißt: diese fleischgewordene (viel Fleisch) Antithese jeglicher Herrschaftsanmaßung, alles Staatstragenden, politisch und moralisch Korrekten, jedweden Leistungsträgertums; dieses liederliche, übel beleumundete, freigeistige Enfant terrible, dieser monströse 'Sokrates', der die Lebenslust lehrt und mit einer Buddel Wein bewaffnet in den Krieg zieht; Shakespeares größtes und tiefsinnigstes Witz-Geschöpf: Falstaff dessen Repertoire außer Witz und Weisheit Liebe einschließt: 'seinen' Henry liebt er wie nichts sonst; und muss erleben, wie er ihn verliert: denn Henry, am Ende der Fünfte, gliedert sich ein ins 'System'…


"Wir brauchen Falstaff, weil wir so wenige Bilder echter Lebensfülle besitzen und noch weniger überzeugende Bilder der Freiheit des Menschen". Harold Bloom




PRESSESTIMMEN


Theatererlebnis im 3-D-Format Publikum feiert Andreas Seyferths rasante Inszenierung von Shakespeares Henry IV in der Pasinger Fabrik Zehn Akte Shakespeare könnten auf den Magen schlagen. Wenn allerdings Andreas Seyferth "Henry IV" inszeniert, zerschmilzt das Bildungsprogramm vom Drei-Stunden-Block in Myriaden pulsierender Sekundenatome. Bei der Premiere in der Pasinger Fabrik wurde unumstritten diese Diva Assoluta gekrönt: die Regie des Prinzipals von Viel Lärm um Nichts. Sie gibt den Takt vor für die animierte Crew. Und die Zuschauer dankten es den Akteuren mit minutenlangem Beifall. Wie quirlige Quarks tänzeln diese in immer neuen Gags und Figurenkonstellationen über die Bühne. Sie erobern sich mit Rasanz aufgeladene Sequenzen auf ständig variierenden Spielflächen… Dass Theater einfach so ungeheuer Spaß machen kann, wusste, weitab von masochistischer Selbst- und Publikumsquälerei, schon Shakespeare. Seyferth und seine Mannen wissen es auch. Etwa, wenn Schießpulver-Percy (Sven Schöcker), hysterisch hyperaktiv als Kriegshetzer herumfuchtelt, und dann seine Glanznummer als Callgirl Dolly abzieht. Ganz zu schweigen von Manuel Renken und seinem hinreißenden Komiker-Talent. Oder wenn Joachim Vollrath seine dialekttümelnde Paraderolle hinlegt, den geldgeilen reaktionären Friedensrichter Schlichtl, und sich Atemzüge zuvor verbiegt, um als Spelunken-Kumpel Poins dem Junior-Henry nach dem Mund zu reden. Unschlagbar auch Dave Wilcox, wahlweise Walisischer Häuptling im Neandertaler-Look und Sheriff-Snob, bevor er sich in Rüschchenkostüm und die Rolle der servilen Wirtin Quickly schmeißt. Auf die ballettreife Performance dieser fliegenden Garderobenwechsel würde man gerne einen Blick riskieren. Hinter die Kulissen schaut auch Henrys Sprössling (Hannes Berg), die spätere Nummer Fünf. Eingeklemmt zwischen Lust- und Leistungsprinzip macht er sich erstmal als Aussteiger vom Acker. Anstelle des aktenfressenden, Burn-Out-gebeutelten Königs (Hubert Bail) sucht er sich sein neues Vaterbild bei Falstaff, dem lasziven Trunkenbold mit Herz aus Gold. Joachim Bauer füllt diese Rolle mit ungeheurer Präsenz, emotional, körperlich, intellektuell. Als sich Henry Fünf in neuer Machtgeilheit endlich die Krone aufs Haupt drückt und den Alten fallen lässt, leidet das gesamte Premierenpublikum genüsslich mit. Elisabeth Brandl / Münchner Merkur Würmtal


Shakespeares "Henry IV" als flotter Historienkoloss

Ein um Machterhalt bangender König, ein mit dem Fresssack und Saufbold abhängender Kronprinz, Verschwörungen, blutige Schlachten, und alles in einer gewaltigen Sprache - Shakespeares Doppeldrama "Henry IV" (1597/98) traut man auf Anhieb keinem kleinen freien Haus zu. Diesen Zweifel hat der Pasinger Viel-Lärm-um-Nichts-Prinzipal Andreas Seyferth als Herausforderung genommen. Wer nicht unbedingt auf Regietheater und Aktualisierung steht, dem sei der von Theater-Co-Chefin Margrit Carls sprachlich flott heutig eingedampfter Historienkoloss zwischen hoher Machtpolitik und Falstaff'schem Lebenswitz im kleinkriminellen Schlaraffenwinkel empfohlen…

… Seyferths Schauspieler haben, was heute nicht selbstverständlich ist, eine exzellente Sprechtechnik: von Hubert Bail als Heinrich IV bis Hannes Berg als Sohn Hal – der auch den Wandel vom scheinbaren Hallodri zum verantwortungsbewussten Thronfolger glaubhaft darstellt. Und bei den Falstaffianern flutschen nur so die humorvoll übersetzten zungenbrecherischen Schimpfwort-Kanonaden.

Joachim Bauer, mit behände getragener Falstaff-Fettschürze, ist ein wunderbar verschmitzter Überlebens-Lügner. Sven Schöcker gibt den überdreht hitzigen Verschwörer-Anführer Percy 'Heißsporn' wie auch eine schräge Hure Dolly. Auch Joachim Vollrath, Manuel Renken und Dave Wilcox stemmen mehrere Rollen. Und Trommelwirbel auf Blecheimern und mit kehligem Kampfgeschrei ausgeteilte Stockhiebe dienen bestens als Schlachtengetümmel.

Malve Gradinger / Münchner Merkur


Falstaff oder von den Vorzügen der Wollust und der Völlerei Margrit Carls hat eine Spielfassung erarbeitet, die sprachlich ins Hier und Heute hineinreicht… Obgleich das Stück vergleichsweise selten gespielt wird, hat es seinen unleugbaren Reiz, denn die Figur des Falstaffs ist auf ihre Weise ein ähnliches Schwergewicht wie Hamlet oder Macbeth. Stephan Joachims Bühne war zweigeteilt. Links der Sitz des Königs mit Ehrfurcht gebietendem Tisch und Fauteuil, rechts ein Ledersofa als Ort des Lasters. An den Wänden Stimmung schaffende abstrakte Bilder, die sich im von Stephan geschaffenen Licht permanent wandelten. Kongenial zur szenischen Situation und den raumverändernden Lichtstimmungen sprengte das Klangkonzept von Kai Taschner den Spielraum und entrückte den Zuschauer in die Welten kriegerischer Auseinandersetzungen, in denen Heros und Tod das Wort angaben. Die Tatsache, dass sieben Darsteller vierundzwanzig Rollen spielten, muss als konzeptionelle Meisterleistung gewertet werden. Dabei kam weder ein Verwirrspiel, noch eine darstellerische Dopplung heraus. Alles blieb übersichtlich und verständlich. Die Darsteller agierten in jeder Rolle durchweg differenziert, einfallsreich und mit großer physischer Präsenz. Dabei ging es richtig zur Sache. Sie einzeln zu beschreiben würde den Rahmen sprengen. Einzig Joachim Bauer soll genannt werden... entsprach ganz und gar nicht dem Klischee des saufenden, fressenden und hurenden, zumeist grobschlächtig und tumb angelegten Falstaff. Bauers Spiel war überaus sensibel und schlitzohrig zugleich. Längen wies der lange Theaterabend nicht auf... Die lebendige und sinnesfreudige Inszenierung ist eine gute Gelegenheit, sich mit einem Shakespearestück auseinander zu setzen, das über Substanz verfügt, in der Umsetzung im Theater Viel Lärm um Nichts Spaß macht und dennoch nur selten in den Spielplänen zu finden ist. Zu einem Besuch wird darum geraten. Wolf Banitzki / theaterkritiken.com



Fotos: Hilda Lobinger



 

Mehr vom Vater


King Henry IV


'Mein Staatsstück kannte nur die eine Szene: Zwist und Blutvergießen.'


Geboren 1366 als Henry Bolingbroke. Von seiner Kindheit und Jugend weiß man kaum etwas, außer: er war nicht vorgesehen als King. 1398/99 macht er sich bemerkbar: er ist verwickelt in einen Streit mit einem andern Adligen: man bezichtigt sich gegenseitig des Hochverrats; ein Duell soll 's richten. Der Regent, King Richard II, kein Freund von Gewalt, schickt beide in (befristete) Verbannung. Während des Exils stirbt Henrys Vater. Richard beschlagnahmt dessen Ländereien: ob als Pfand (in dem Fall hätte Henry sein Erbe nach der Rückkehr aus der Hand des Königs empfangen) – oder (wie es in Shakespeares RICHARD II erzählt wird) um damit den Irland-Feldzug zu finanzieren: Auslegungssache. Henry Bolingbroke gerät in Paris unter den Einfluss eines (ebenfalls verbannten) Ex-Erzbischofs und Freund von Scheiterhaufen, Thomas Arundel, der die Lage zu nutzen weiß: Gegen einen König, der mit Jüngelchen rummacht und dem Adel das Land raubt, lassen sich die Noblen des Reichs leicht aufbringen… So betritt Henry gegen königlichen Befehl (das ist Hochverrat) im Juli 1399 englischen Boden. King Richard kämpft in Irland gegen Aufständische. Henry weiß: der Anklage des Hochverrats entgeht er nur, wenn er es auf den Thron schafft. Unter den Vielen, die er auf seine Seite zieht, sind auch die mächtigen Percys aus Northumberland. Als Richard zurückkehrt, steht er auf verlorenem Posten. Seine wenigen Anhänger werden ermordet; der König muss abdanken. Henry, der 'Selfmade-King', setzt sich auf den Thron. Der rechtmäßige Thronerbe, Edward Mortimer, wird übergangen. Richard II verhungert im Kerker. In Kontrast zu seinem fried- und kunstliebenden Vorgänger installiert Henry, wohl immer weiter unter Arundels Einfluss, ein brutales Folter- und Spitzel-Regime. Seine Geschichtsschreiber entwerfen das Bild von Richard II als grausamem Schwächling. Ruhe beschert dem Herrscher, in den letzten Lebensjahren ein schwerkranker Mann, das keine, weder äußerlich noch innerlich. Bis zu seinem Tode 1413 ist er damit beschäftigt, seinen Machtanspruch zu behaupten, Anschläge zu überleben und Rebellionen niederzuschlagen. Unter anderem die, die in Shakespeares HENRY IV verhandelt werden… Quelle: infobritain.co.uk


 

Mehr vom Sohn


Hal / King Henry V


'So: wenn ich lasse, was ich derzeit tu, und einsteh, wofür einzustehn ich nie versprach, erschüttre ich jedermanns Bild von mir…'


Kein Geburtsdatum verzeichnet. 1387 vielleicht. In der Thronfolge spielt er keine Rolle. Das ändert sich. Während des väterlichen Exils 1398 bleibt Jung-Hal bei King Richard. (Später, als Henry V, lässt er Richards Leichnam nach Westminster überführen – wohl ein Zeichen der Wertschätzung.) Im Herbst 1399, der Vater hat sich inzwischen des Throns bemächtigt, wird Hal zum Ritter geschlagen: jetzt ist er Prince of Wales und Thronfolger. An der Seite seines Vaters bekämpft er die Aufstände im Land. Die berühmte Schlacht bei Shrewsbury übersteht er mit einem Pfeil im Gesicht… Von einer 'wilden' Jugend wie in Shakespeares Stück ist nichts überliefert. Möglicherweise haben die politischen Differenzen zwischen Vater und Sohn zu der Legende beigetragen. Außerdem gab es da einen gewisser Sir John Oldcastle, mit dem der junge Hal befreundet war; dieser wiederum gilt als Vorlage für die Falstaff-Figur (die ursprünglich Oldcastle hieß - bis man Shakespeare die Benutzung des Namens verbot). Sir John Oldcastle war Anhänger der Lollarden, die sich der Kritik an der katholischen Kirche schuldig machten. Die Freundschaft zwischen Hal und Sir John hatte bei den Lollarden Hoffnung geweckt, doch als Hal den Thron bestieg, konnten Kirchenmänner begeistert konstatieren, er 'sei ein neuer Mann geworden'. Und am Ende brannte Sir John Oldcastle… Nach seiner Krönung nimmt Henry V das große Ziel ins Visier: Frankreich. Er erneuert den englischen Anspruch auf den französischen Thron und marschiert ein. Im Oktober 1415 macht ihn die Schlacht bei Agincourt zum Kriegsheros: Henry V, im Verhältnis 1:3 in Unterzahl, tollkühn, feiert dank seiner Bogenschützen ein Schlachtfest. Weitere Städte werden unterworfen. In Rouen lässt er Frauen und Kinder im Burggraben verhungern. 1420 ist Henry Regent von Frankreich und Gemahl der Tochter des französischen Königs, dem er nach dessen Tod auf den Thron folgen soll (Charles VI überlebt ihn jedoch um 2 Monate). Er ist ein Nationalheld. Auf einem weiteren Frankreich-Feldzug erkrankt er Ende 1421 an der Ruhr. Er bestimmt seinen jüngeren Bruder zum Regenten, bis sein eigener kleiner Sohn (den er nie sehen sollte) alt genug ist. In dessen Erziehung sieht er für die Gattin keinen Platz vor. (Die heiratet später einen ihrer Diener: den Waliser Owain Tudor. Ihr Enkel Henry wird Englands Thron als Henry VII usurpieren – der erste Tudorking. Vorher jedoch sollte es Henrys Sohn als Henry VI mit der Jungfrau von Orleans zu tun bekommen...) Henry V stirbt Ende August 1422. Halten lassen sich die französischen Eroberungen nicht. Quelle: infobritain.co.uk + en.wikipedia.org


 

Mehr vom Helden


Henry Percy, genannt Hotspur


Am 20. August 2010 enthüllt Ralph Percy, 12. Duke of Northumberland, eine Statue seines legendären Vorfahren. Für Hotspurs Gesicht stand der Sohn des Duke, Earl George, Modell.


'Was ist Ehre? Ein Wort. Was steckt in diesem Wort Ehre? Luft.'


Anders als bei Shakespeare ist Henry Percy, Spross einer der ältesten englischen Hochadelsfamilien (ursprünglich aus der Normandie), tatsächlich gut zwanzig Jahre älter als Hal. Im Kampf gegen Schotten und Franzosen erwirbt er sich seinen Ruf als großer Krieger. Er dient der Krone als Gouverneur in Bordeaux; später betreibt er mit seinem Vater die Absetzung King Richardszugunsten von Henry Bolingbroke, dem künftigen Henry IV. Als der neue King Versprechungen nicht einhält, kommt es zur Rebellion der Percys (Vater, Onkel, Sohn). Bei der Schlacht von Shrewsbury im Sommer 1403 wird Hotspur von Verbündeten im Stich gelassen: sein Heer ist zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. Als er während des Kampfes sein Visier öffnet, um Luft zu bekommen, trifft ihn ein Pfeil in den Mund. Er ist sofort tot. Henry IV soll beim Anblick der Leiche geweint haben. Er ordnet ein Begräbnis an; später, als das Gerücht geht, Hotspur sei am Leben, lässt Henry IV ihn exhumieren und vierteilen: sein Kopf wird aufgespießt und ausgestellt; die vier Teile in ganz England herumgezeigt… Quelle: en.wikipedia.org + journallive.co.uk

Im Bild (rechts) Earl George Percy




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