Uraufführung 19. Dezember 2009
mit Astrid Polak Claudia Schmidt Hannes Berg Klaus-Peter Bülz Sven Schöcker Joachim Vollrath sowie Marcus Tronsberg
Regie: Andreas Seyferth Regieassistenz: Sophie Meinecke Komposition: Marcus Tronsberg Bewegung: Urte Gudian Raum + Licht: Stephan Joachim Kostüme: Johannes Schrödl Idee/Textfassung: Margrit Carls
»Es ist nicht unsere Aufgabe, in dieser Welt erfolgreich zu sein, sondern weiterhin frohen Mutes zu scheitern.« Robert L. Stevenson
Pünktlich zum Jahreswechsel erweisen wir dem Wurm, der bekanntlich in Mensch und Ding steckt, unsere Ehre. Wir huldigen ihm in seinen mannigfachen Manifestationen, sind Aug und Ohr für seine Offenbarungen: Zur gefälligen Erbauung all jener, die sich alltäglich mit ihm konfrontiert sehen: vom morgendlichen Stelldichein auf dem unbarmherzigen Messgerät zur Bestimmung einer Masse (vulgo: Waage) bis zum abendlichen Bacchanal (vulgo: Sauf- und Fressorgie), trotz Fastengelöbnis.
Allen, die sich selbst, der Welt und der Evolution immer wieder gern im Weg stehen: sporadische Mist-Bauer und Dauer-Nieten, Pech-Gesträhnte und Klammerbeutel-Gepuderte, krasse Versemmler und arme Würstchen, Gebrochene und Schlapp-Gemachte, Lebens- und Liebesscheiterer, grandios Gestrauchelte wie sang- und klanglos Versackte oder Abgehängte; all die, denen Sprüche wie 'Sieh es als Chance' übel zum Hals raushängen, weil sie feststecken im Wurm-Loch der Bitterkeit: IHNEN SEI DIESER ABEND GEWIDMET!
P. S. An alle Gewinner: Schaut ruhig auch vorbei – hier wird euch geboten, was ihr an Scheiter-Gaudi verpasst!
Scheitern ist menschlich, Scheitern ist gesund,
deswegen scheitert die Wirtschaft regelmäßig,
um zu gesunden und ihre Menschlichkeit unter Beweis zu stellen.
aus: Fröhliches Scheitern!
PRESSESTIMMEN
Theater ist nicht am Puls der Zeit? Ha! Gerade ist die Klimakonferenz in Kopenhagen gescheitert. Und haarscharf getimt bringen Margrit Carls (Idee/Text) und Andreas Seyferth (Regie) mit ihrem Theater Viel Lärm um Nichts in der Pasinger Fabrik ihren unernst ernsten Abend "Fröhliches Scheitern" - von Versagen bis Krise und Konkurs. Oder Katastrophe, wenn fünf Schauspieler vom gottähnlich abwesenden Regisseur separat Rollenanweisungen erhalten. "Kein roter Faden, kein Text, kein Zusammenhang!" Und was macht ein Schauspieler? Er improvisiert, quält sich trotzdem was ab. Da schäumt hier bald ein Spiel-Gemenge von mittelalterlich bezopftem Fräulein und manischem Jetztzeit-Shopping-Freak, von Dinos, Römern, Wikingern, Kreuzrittern, strindbergschem Eheschiffbruch und bayerisch besserwisserischem Stammtisch-Gerede. In dieses Probenstudio-Chaos - Spiegel, was sonst, des aktuell realen gesellschaftlichen Befindens - säuselt surreal eine Ur-Mutter (Astrid Polak märchenbuchschön versponnen): "Alles ist gut" und weitere Trostpflästerchen gegen das globale Misslingen. Es ist eben überall "der Wurm drin". Hannes Berg stemmt diese Metapher mit Gstanzl und Bodyaction zu einer wunderbar komischen Bühnenfigur. Ein bisschen hätte Carls kürzen können. Aber insgesamt: Was für ein grandioser Wirrwarr von gescheiterten Rollen und Existenzen, dem Marcus Tronsberg als postmoderner Troubadour an Klavier und Gitarre leise seine Melodien zuspielt. Malve Gradinger / Münchner Merkur
Das Universum ist ein großer Spielplatz. [...] Die Weltenmutter brütet Eier zwischen ihren Brüsten, und die Wissenschaftler der Menschheit zählen die erkennbaren Wurmlöcher. Natürlich forschen sie auch nach den Bewohnern derselben, doch dies wäre nicht nötig, denn der Wurm steckt in allem auf Erden [...]. Er drängt sich auf, unweigerlich und, wie wir alle wohl aus Erfahrung wissen, meist im falschen Augenblick. Wenn der Wurm erscheint, hat man nur selten die Kraft, darüber zu lachen. [...] Der heitere Blick auf die Geschichte des Scheiterns an sich selbst und den Möglichkeiten für die Lebewesen dieser Erde, ließ für zwei Stunden die eigenen Erfahrungen zurücktreten und in eine solidarische Gemeinsamkeit eintauchen.[...] Eine weiße schiefe Ebene beherrschte die Bühne, der gegenüber die Weltenmutter saß und aus Ton Menschlein und Würmer formte. Äußerlich ein Mädchen in weißem Spitzenkleid mit grauem Haar und rosa Strähnen verkörperte Astrid Polak sie, in Habitus und Sprache fein wechselnd zwischen [...] weise und verspielt. [...] Ein bunter Reigen von Szenen... [...] Den Höhepunkt bildete der Auftritt des Wurms in Gestalt von Hannes Berg... [...] ...Joachim Vollrath, der als ewiger Freier unbeachtet seiner Viktoria harrte und dabei vom Jüngling zum alten Mann verfiel. Claudia Schmidt scheiterte in innerer Verzweiflung, die aus Beziehungen und vergeblichem Versuch der Aufzucht eines Kaktus resultierte. Klaus-Peter Bülz trug glaubwürdig gezeichnet nicht nur als hungernder Advokat der Benachteiligten und am Versagen vorbeischlitternder Mann sein Schicksal. Einzig Sven Schöcker als Dichter stand es zu, sein Scheitern lautstark und wohlartikuliert in die Welt zu tragen. Seine Darstellung von der Mühsal des Sisyphos, der es bis zur Hälfte der Anhöhe schaffte, war absolut sehenswert. Der Einlagen gab es viele in dieser dichten Inszenierung, die musikalisch sinnfällig von Marcus Tronsberg auf der Gitarre untermalt wurde. Der Abend war vergleichbar mit dem allzubekannten Bild des glänzenden Apfels, aus dem der Wurm hervorgrinst, und in den man dennoch zu gerne beißt, denn es ist ein gelungener, knackig bunter, unterhaltsamer Apfel. C. M. Meier / theaterkritiken.com
"Wenn ihr den menschlichsten Menschen sucht, müsst ihr euch an den dort halten. Endlich sehen wir einen, der Größe nach einer Laus vergleichbar, der winzige Steinchen die Abhänge hinaufzurollen versucht." So greift der österreichische Autor Peter Rosei in seinem Aufsatz "Versuch, die Natur zu kritisieren" den antiken Sisyphos-Mythos auf. Auch das Theaterstück "Fröhliches Scheitern", das am Samstag in der Pasinger Fabrik Premiere feierte, macht dieses Bild des ewig gegen sein eigenes Versagen ankämpfenden Mensch zum Kern der Geschichte - obwohl man von einer Geschichte im klassischen Sinn gar nicht sprechen kann. Die Mitglieder des Ensembles "Viel Lärm um Nichts" schlüpften im Laufe des Abends in unzählige verschiedene Rollen: Vom ausgestorbenen Dinosaurier über den Wikinger bis hin zum arrogant-ignoranten Vertreter der Münchner Oberschicht. Zur Hilfe hatten sie nur eine sparsame Auswahl an Requisiten. Das weiße Leintuch war Eierschale, römische Toga und Ritterrüstung in einem, ein Pappkarton wurde mit einem Handgriff zur beengenden Wohnung des Kanzlisten. Dabei besangen die Charaktere, begleitet von Marcus Tronsbergs E-Gitarre, fröhlich ihren eigenen Untergang. Der Musiker hatte die tragikomischen Lieder eigens für das Stück komponiert. Es war ein vielseitiges und unübersichtliches Mosaik des Scheiterns, das die Schauspieler unter der Regie von Andreas Seyferth auf der kahl gestalteten Bühne präsentierten. Die einzig wiederkehrende Figur: eine mit weißem Rüschenkleid und rosa Turnschuhen bekleidete Frauengestalt, deren in alle Richtungen abstehende Frisur medusenhaft von pinken Schlangen durchzogen war. Astrid Polak, die ein herrlich verrücktes Spiel darbot, lenkte durch unsichtbare Fäden das Geschehen - sie war dabei weniger mächtige Schöpferin als Chaosgöttin. Mit kindlichem Vergnügen schuf sie den Wurm, der in allem steckt, immer wieder neu, und beobachtete, wie sich das Elend unter seinem Wirken entfaltete. Von den Anfängen der Evolution bis in das Nachbeben von Raubtierkapitalismus und Weltwirtschaftskrise führte das provokante Stück seine Zuschauer. Es herrschte derselbe Tenor, der auch Roseis Werk durchzieht: Das biologische Leben, eine kosmische Zufallsgeburt, besteht auf jämmerliche und groteske Weise fort. Unser Versagen ist gewissermaßen genetisch vorprogrammiert. Im Rückgriff auf Texte aus August Strindbergs modernistischem Drama "Ein Traumspiel" hauchte Autorin Margrit Carls ihren Figuren eine komische Lust am Scheitern ein, die das Publikum sichtlich erheiterte. sab / Münchner Merkur - Würmtal
Fotos: Hilda Lobinger