von Matei Visniec
Deutschsprachige Erstaufführung
Produktion: theater VIEL LÄRM UM NICHTS
Premiere: 7. Dezember 2023
Der leere Mann wacht auf und stellt fest, dass er leer ist. Eines Tages steht mitten auf der Straße ein herrenloses Klavier und reißt die Anwohner aus ihrem Trott. Sie finden zueinander und schmieden größenwahnsinnige Pläne. Eine Krankheit grassiert, Menschen sterben an den Geräuschen des Alltags. Gutmeinende Zeitgenossen leisten falsche Hilfe, während ein tragisches Schicksal zwei Nachbarn endlich miteinander ins Gespräch bringt. Inmitten dieser absurden Situationen fragen sich junge Menschen, was mit der Welt und der Gesellschaft eigentlich nicht stimmt.
Wie gelingt ein Wandel von Furcht zu verantwortungsvollem Handeln?
Es wird konstruiert, gezimmert, aufgerichtet, ausgerichtet, eingerichtet, umgestoßen, gegraben, gezogen und verschoben. Eine Kettenreaktion des Scheiterns. Und doch gibt es Hoffnung. Im Wahrnehmen eines Gegenübers und in der Phantasie. Absurd komisch, poetisch und zum Dahinschmelzen schön.
Matéï Visniec, Jahrgang 1956, stark beeinflusst vom Dadaismus, Surrealismus und Theater des Absurden zählt in seinem Herkunftsland Rumänien zu den meistgespielten Bühnenautoren der Gegenwart.
mit
Markus Beisl, Ardhi Engl, Denis Fink, Doris Länglacher, Anja Neukamm
Regie: Arno Friedrich
Assistenz: Andreas Klindt
Livemusik / Klangdesign: Ardhi Engl
Bühne & Kostüm: Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt
Lichtdesign: Jo Hübner
Technische Einrichtung: Max Reitmayer
Technik: Andreas Klindt
Grafik: Arno Friedrich
Aus dem Französischen von Christina Weber
mit Texten aus "Zersetztes Theater", ebenfalls von Matei Visniec
Aufführungsrechte: THEATERSTÜCKVERLAG im DREI MASKEN VERLAG München
Trailer
Pressestimmen
"Eine eindrückliche Parodie auf die deutsche Kultur. (...) "Briefe an Bäume und Wolken" erinnert daran, sich Zeit zum Träumen zu nehmen und weniger verkrampft durch das Leben zu gehen, auch wenn es grausam ist." (Süddeutsche Zeitung)
" (...) im Zentrum aber sind drei Briefe an den Baum, die Wolken und den Vogel. Briefe von Kindern an die Natur, die Doris Länglacher mit herrlicher Aufgeregtheit präsentiert: Sehnsuchtsmomente, Suche von Ansprache, Flucht aus dem Gewerkel auf der Bühne, der (Lebens-) Baustelle samt Flatterband-Absperrung. Kein Theaterabend mit der einen Geschichte, der einen Moral, sondern Bildsprachassoziationskunstwerk – mit dem wunderbaren Sound von Multi-Instrumentalist Ardhi Engl – zur menschlichen Existenz." (IN München)
Ein Bravourstück. (…) Vieles kann man als Parabeln auf Diktaturen, Ideologien, Zensur und Uberwachung verstehen. Doch Visniecs surreale Poesie und subtile Komik kreieren mit jeder Situation einen kleinen absurden Kosmos. (…) Dem Theater Viel Lärm um Nichts Dank für die deutschsprachige Erstaufführung eines hier fast unbekannten Autors. (Münchner Feuilleton)
ZUR INSZENIERUNG
subversive Gedankengymnastik
Das Treiben der Welt und ihrer Bewohner ist aus Kinderaugen betrachtet mehr als absurd. Junge Menschen haben aber (noch) die Fähigkeit, mit der Tatsache, von der Welt nur wenig zu verstehen, gelassen umzugehen.
Als »Erwachsener« oder »gereifter Mensch« hingegen glaubt man häufig, die Welt sei umfassend begreifbar, die uns umgebenden Verstrickungen und Zusammenhänge seien durchschaut. Der kindliche Blick verzweifelt nicht angesichts der Unerklärlichkeit und Ambivalenz der Welt. Dieser kindliche Blick kommt gut damit zurecht, dass es mehr als nur Schwarz und Weiß gibt und ist ein zentrales Element in Visniecs Szenencollage »Briefe an Bäume und Wolken«.
Statt dem Unterricht zu folgen, schreibt ein Kind an den Baum vor dem Klassenzimmerfenster. Er, der Baum, solle sich bitte schnell in Sicherheit bringen, denn es wimmelt anscheinend nur so von Terror, Krieg und Baggern, Verrückten und Wahnsinnigen in der Welt. Angeblich laut dem Vater speziell im Wald. Dort wurde spielen verboten. Der Stadtbaum soll also fliehen, aber nicht in den Wald.
Im Wald lauerten schon immer Gefahren. Das Unbekannte, Fremde - zwielichtige Gestalten, hinterlistige Banditen, Partisanen, Hexen, Aktivisten. Ausgestoßene der Gesellschaft, freiwillig und unfreiwillig Fortgegangene. Für uns ein idealer Möglichkeitsraum. Der Theaterraum ist bei uns ein Ort zwischen Wald und Werkstatt, Atelier, Baustelle und Baugrube.
Mit dem Material Holz erforschen wir Vorgänge des Konstruierens und Dekonstruierens, des Scheiterns und Triumphierens, dessen musikalisches und szenisches Potential, als Objekte im Raum und im Sinn des Physical Theatre.
So bewegen sich die Figuren in »Briefe an Bäume und Wolken« zwischen ganz profanem Scheitern, kleinen und großen Fehlschlägen, aber auch in Hirn zermarternden Denkanstrengungen, denen kein Paradox fremd ist.
Das Stück ist ein Balanceakt auf einer dünnen Linie zwischen aufkeimender Hoffnung und niederschmetternder Verzweiflung angesichts gegenwärtiger Problemstellungen wie sozialer Abkapselung, Vernichtung von Natur & Umwelt, Massenwahn, Turbokapitalismus, Tech-Irrsinn, Auslöschung von Kunst und Träumen.
Obwohl bereits 1996 erschienen, ist »Briefe an Bäume und Wolken« ein höchst gegenwärtiger Text, der nun bei uns zur deutschsprachigen Erstaufführung kommt. Und zwar mit viel Komik, großem körperlichen Einsatz und live begleitet vom Klangkünstler Ardhi Engl.
Matéï Visniec
wurde 1956 im rumänischen Radauti geboren. Nach dem Studium der Geschichte und Philosophie an der Universität Bukarest arbeitete er ab 1980 als Geschichtslehrer. 1972 debütierte er mit seinen Gedichten. Nachdem um die 20 seiner Stücke in Rumänien verboten wurden, suchte Matéï Visniec 1987 politisches Asyl in Frankreich. 1988–89 war er als Rundfunkredakteur der BBC in London tätig. Danach ging er endgültig nach Paris und schrieb an seiner Dissertation zum Thema »Kultureller Widerstand in Ost-Europa nach 1945«. Heute arbeitet Visniec als Journalist für Radio France Internationale. 1993 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft. Visniec schreibt inzwischen überwiegend in französischer Sprache. In Frankreich veröffentlichte er mehr als zwanzig Stücke, die in zahlreichen Theatern in Paris und anderen großen Städten aufgeführt wurden und seit zehn Jahren regelmäßig auf dem Festival d’Avignon zu sehen sind. In Rumänien ist er seit dem politischen Umsturz einer der meistgespielten Autoren.
Der eigentümliche Klang von Vișniecs Poesie ist durch bitter melancholisch unterlegte Ironie geprägt, bildet verspielt kleine in sich geschlossene Figuren oder steuert gekonnt auf überraschende Pointen zu. Das augenzwinkernde Spiel mit dem klugen Leser, der die Texte des Dichters mit dem allgemeinen Kontext in Verbindung bringen musste, um die jeweilige Botschaft zu entschlüsseln, spielte Matéï Vișniec stets mit besonderer Eleganz.
Trailer Probenarbeit