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Bettlers Oper

[THE BEGGAR 'S OPERA]

Ein prekäres Spektakel

von

John Gay (Text)

Johann Christoph Pepusch (Musik)

Premiere 29. Dezember 2015



MACHEATH Hannes Berg BETTLERIN, MRS. PEACHUM, MRS. HEIDI Maria Maschenka PEACHUM, TRAUERWEIDEN-WALTER Martin Cambeis POLLY PEACHUM, HOSEN-ANGIE Elisabeth Grünebach LOCKIT, JOAQUINE VON BELLEVUE Sven Schöcker LUCY LOCKIT, HAUBITZEN-USCHI Luise Weber/Maria Magdalena Rabl FILCH, KRUMMFINGER-JACK Marcus Tronsberg PENUNZEN-WOLF Kai Taschner

Regie Andreas Seyferth Musikalische Leitung Kai Taschner & Marcus Tronsberg Bühne Peter Schultze Kostüm Johannes Schrödl Lichtdesign Jo Hübner Übersetzung / Fasssung Margrit Carls Flyer: Martina Körner


Papa Peachum, Hehler, und Mama Peachum, Seele der Firma, stellen fest, dass Töchterchen Polly den Gangster Macheath geehelicht hat. Sie entschließen sich, Macheath an den Galgen zu liefern. Macheath tappt in die (Weiber-)Falle. Im Gefängnis trifft er auf Knastchef Lockits Töchterchen Lucy, die er geschwängert hat. Sie verhilft ihm zur Flucht und Polly zu Gift - vergebene Liebesmüh. Am Ende flehen zwei Mädels um Gnade für Macheath...


Eine barocke Räuberpistole


Sex & Crime & Rock 'n' Roll. Die Location: eine lupenreine Bananenrepublik. Spendensümpfe stinken gen Himmel, die Justiz ist weitgehend privatisiert. Zumindest wäre diesbezüglich von "PPP" (Public Private Partnership) zu sprechen. [Wir sind im Vereinigten Königreich, aber das spielt keine Rolle.] Der oberste Gangster kooperiert mit den Behörden in Sachen Verfolgung von Straftaten (und entledigt sich so elegant unliebsamer Konkurrenz wie auch ineffizienter Mitarbeiter). Die Firma "Mitgefühl und Anstand" meldet Insolvenz an und wird von der "Gesellschaft für Betrug und Heuchelei" (schrankenlos und frei von Haftung) liquidiert. Heilig ist allenfalls die Ganovenehre, doch wirklich Verlass ist nur auf ordentliche Buchführung: Notiert werden Menschen - Ankauf und Abstoß nach Maßgabe ihres Nutzens. Die Moral ist verrottet, aber das mit System. Die Möglichkeit zur gegenseitigen Vernichtung garantiert den Fortbestand lukrativer Partnerschaften. Und die Liebe ist eine Himmelsmacht, die die irdische erweitert (ansonsten eine affektive Fehlleistung aus längst vergangenen gefühls(du)seligen Zeiten).


Damit auch richtig Freude aufkommt,

haben alle stets ein pfiffiges Liedchen auf den Lippen:

Gays famoses Singspiel ist nämlich

nicht nur Gesellschafts- und Politsatire,

sondern auch Opernparodie.

Und am Ende ist alles gut...


Satirisch - Trashig - Unverwüstlich

Über die Jahrhunderte erwies sich THE BEGGAR 'S OPERA als Megahit - wie das Gesellschaftssystem, das Gay aufs Korn nimmt.

Nur dass die Fans der OPERA sich von den Fans des Systems

gemeinhin deutlich unterscheiden.

(Was nicht ausschließt,

dass die Herrschaften in den Logen

ihre Karikaturen auf der Bühne

mit Applaus bedenken...)



THE BEGGAR 'S OPERA wurde am 29. Januar 1728

am Lincoln's Inn Fields Theatre uraufgeführt -

nachdem andere Häuser dankend ablehnten

(Angst vor Misserfolg und Zensur)

und die Herzogin von Queensberry

eine Geldspritze in Aussicht stellte.

Die OPERA brachte es in der ersten Spielzeit

auf bis dato unvorstellbare 62 Aufführungen (üblich waren 5 bis 6).

Der Spruch der Stunde: THE BEGGAR 'S OPERA

habe Rich (Theaterleiter John Rich) gay und Gay rich gemacht...


PRESSESTIMMEN


Eine feine Gesellschaft

[...] Regisseur Andreas Seyferth bescherte dem Publikum in Pasing einen kurzweiligen und heiteren Abend, der großes Lob verdient hat. Margrit Carls hatte ihm dafür eine Fassung bereitet, die radikal und mutig in heutige und hiesige Zustände leuchtete und der mindestens genau so viel Lob gebührt. Peter Schultzes Bühne war aus Pappkarton und Spanholzplatten gefertigt. Es glich einem Lagerhaus, in der das Diebesgut aufbewahrt wurde. Die Bühne war von einem Laufsteg umringt, hinter dem die Musiker (Musikalische Leitung: Kai Taschner und Marcus Tronsberg) logierten. Die Kostüme von Johannes Schrödl waren eine Mischung aus Barocken Formen und heutigen (Verpackungs-) Materialien. Diese Überzeichnungen wurden durch kräftige Schminkmasken komplettiert. Und so wurde dann auch gesungen und gespielt: direkt, unverblümt, mit lächerlichen Verzierungen und Schnörkeln, aber auch mit explosionsartigen Ausbrüchen. Martin Cambeis Peachum war ein grobschlächtiger, ergebnisorientierter BWLer, der auch bereit gewesen wäre, Weib und Tochter zu verscherbeln, wenn es Zuwachs bedeutet hätte. Sven Schöckers Knastdirektor Lockit, je nach Situation Partner oder Gegenspieler von Peachum, gab sich hingegen schrill und manieriert. Der Macheath von Hannes Berg war eine schräge Mischung aus entlaufenem "Leningradcowboy" und "Captain Jack Sparrow", ein lendengesteuerter Vorstadtcasanova, dem man zu Füßen lag, insbesondere Elisabeth Grünebach als puppenhafte, leichtfüßige Polly Peachum und Luise Weber als sehr, sehr schwangere, aber der Schwerkraft tapfer trotzende Lucy Lockit. Maria Maschenka leitete als Bettlerin den Abend ein und aus. Zwischendrin begeisterte sie mit Gesang und Spiel als rothaarige, verruchte Mrs. Peachum. Andreas Seyferths Regie entfesselte ein Feuerwerk an szenischen Bonmots, die die Darsteller ohne Mühe und flüssig umsetzten. Heraus kam ein intelligentes, ideenreiches und überaus witziges Musiktheater. Dass Margrit Carls aktuelle Politikerpersönlichkeiten in das Stück hineinschrieb, entspricht durchaus der Geschichte der "Bettlers Oper", denn Gay hatte nichts anderes getan. So haben Joaquine von Bellevue, Hosen-Angie und Haubitzen-Uschi Auftritte als Prostituierte. Eine Prostituierte ist eine gewerbsmäßige Anbieterin von besonderen Leistungen. Eine Übertreibung? Hier kommt es wohl auf den Blickwinkel an, aus dem man die Sache betrachtet. Das Allgemeingültige dieses Werks ist und bleibt unbestritten. Die schmissige und eingängige Musik, geschrieben von einem Hamburger namens Johann Christoph Pepusch, dessen balladesken Songs nach der Uraufführung 1728 schnell Ohrwürmer wurden, war alles andere als antiquiert und bereitete großen Spaß. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Inszenierung widerfährt, was der Uraufführung widerfuhr, ein Run der Zuschauer auf die Theaterkasse. Lohnenswert ist es allemal und es schadet dem Theater bestimmt nicht, wenn dieser künstlerische Erfolg sich auch in einen wirtschaftlichen ummünzen ließe. Wolf Banitzki / theaterkritiken.com

Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen

[...] Auf den Mackie-Messer-Gassenhauer muss das Publikum also verzichten. Dafür erwartet es eine von Margrit Carls auf den sprachlichen Stand der Zeit gebrachte Satire [...]. In Gays Paralleluniversum funktioniert alles so wie in der großen Politik und Geschäftswelt, nur dass es hier Betrüger, Prostituierte, Diebe und Hehler sind, die sich der Praktiken der Großkopferten bedienen. Peachum (Martin Cambeis) führt sein Unternehmen wie einen Konzern, sourct aus (vorzugsweise an seinen Geschäftsfreund Lockit ins Gefängnis), stößt ab, stellt Kosten-Nutzen-Rechnungen auf. Und beschließt mit seiner unangetrauten Mrs. Peachum (herrlich krachert: Maria Maschenka): Macheath muss weg. Hat der doch glatt ihre Tochter Polly (Elisabeth Grünebach als Shirley-Temple-Unschuld) geheiratet! Ja, geht 's noch? Das verdirbt doch das Geschäft! Und wer nicht funktioniert, wird abgewickelt. Die Frauen sind es, die Macheath (Hannes Berg mit Wirtshaus-im-Spessart-Charme) zu Fall bringen und dann doch wieder retten. Die nur vordergründig süße Polly genauso wie Lucy (garconnehaft: Luise Weber), Tochter des Gefängnisdirektors Lockit (wunderbar schmierig: Sven Schöcker), die den ihr von Macheath angehängten Zehnmonatsbauch recht tiefgelegt trägt. Peter Schultze baut für diese prekäre Gesellschaft eine Art Industrielager aus Umzugs- und Pappkartons mit Laufstegen und einem kleinen Podest, auf dem Polly in weißer Krinoline unter rosa Luftpolsterfolienrock (Kostüme: Johannes Schrödl) sich als allerliebste Spieldosenballerina drehen darf, Macheath im stufenlos verstellbaren Kerker sitzt oder den Henkerstrick um den Hals gelegt bekommt. Der hängt dräuend den ganzen Abend über dem schrillen Spektakel im sachte an Hanswurstiaden erinnernden Design. Ein ganz schön schräges Singspiel mit jeder Menge (Neo-)Kapitalismuskritik hat Andreas Seyferth da inszeniert. Und genauso wie Johann Christopher Pepusch 1728 die Themen der Musiknummern damals populären Liedern entnahm, versetzen auch Kai Taschner und Marcus Tronsberg (der außerdem den Ganoven Filch als lustigen Latin Lover gibt) die Original-Songmelodien mit zeitgenössischen Rhythmen, Anklängen und Pop-Zitaten [...]. Da verzeiht man manche allzu schlicht gedachten Politikerkarikaturen. Christiane Wechselberger / Münchner Feuilleton






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